Konzert im Münster St. Paul am 04.12.2016 – Kritik aus der Esslinger Zeitung vom 07.12.2016.
ESSLINGEN: Vocalensemble bietet Bach, Durante und internationale Weihnachtslieder
Das Magnificat, also der Lobgesang Mariens beim Besuch der Elisabeth nach dem Lukasevangelium, war im Münster St. Paul am richtigen Platz: war doch die älteste Dominikanerkirche nördlich der Alpen wie alle Kirchen des Ordens der Muttergottes geweiht. Dazu, aber auch zum Advent, passt wiederum Johann Sebastian Bachs Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“, mit der das Esslinger Vocalensemble sein Konzert begann. Denn Bach hatte die Kantate ursprünglich für den vierten Advent geschrieben, dann aber, weil in Leipzig vom zweiten Advent an bis Weihnachten nicht musiziert wurde, auf das Fest Mariä Heimsuchung im Juli übertragen und dabei von sechs auf zehn Sätze erweitert.
In zügigem Tempo begann Jens Paulus und forderte damit dem Chor und dem Ensemble musica viva einiges ab: Insbesondere dem Trompeter, der vom ersten Ton an präsent sein und mit Sechzehntel-Läufen die ebenso schnellen Koloraturen umspielen musste, die für die Chorstimmen ebenfalls eine Herausforderung darstellen. Wunderbar rund und voll klingt die barocke Musik im Kirchenraum des Münsters, ganz besonders auch die Solostimmen. Alle Rezitative sowie der zweite und dritte Choral, „Wohl mir, dass ich Jesum habe“ und „Jesus bleibet meine Freude“, beide auf dieselbe, sehr beliebte Melodie mit dem begleitenden Triolenrhythmus, stammen erst aus der zweiten, Leipziger Version. Tobias Lebelt hatte eine hohe Tenorlage zu bewältigen. Ein Oboensolo umspielte die Altstimme von Carolin Strecker. Machtvoll ließ sich im zweiten Rezitativ die Bassstimme von Emanuel Fleck vernehmen: „Verstockung kann Gewaltige verblenden.“ In der Arie „Bereite dir, Jesu, noch itzo die Bahn“, glasklar gesungen von Marnie Reckenberg, läuft ein Triolen-Motiv der ersten Violine neben der Sopranstimme her, schon auf den Choral hinweisend. Vor dem dritten Choral folgen noch zwei weitere Arien und ein Rezitativ, diesmal umspielt von einem Oboen-Duett.
Daraufhin war die Zuhörerschaft zum Mitsingen aufgefordert: „Macht hoch die Tür“ kennt Jeder, nur nicht den vierstimmigen Satz von Friedrich Silcher, für den dann doch das Vocalensemble zuständig war. Ohne Pause ging Paulus zum Magnificat des neapolitanischen Barockkomponisten Francesco Durante über: ein Schüler Alessandro Scarlattis. Trompete und Oboen waren verschwunden, es oblag den Violinen, gleich im ersten und längsten Satz mit schnellen Läufen und später mit rhythmisch pointierten Passagen Akzente zu setzen. Zwischen die einzelnen Sätze des Magnificat Weihnachtslieder einzufügen, ist zwar durchaus gebräuchlich. Ungewöhnlich war allerdings die weltweite Herkunft der Lieder, die der Sammlung „Christmas Carols of the World“ entnommen waren. Es begann mit einem litauischen Chorgesang, grundtonzentriert mit komplexen Harmonien. An zweiter Stelle erklang das englische Coventry Carol aus dem 16. Jahrhundert, das mit einem Motiv aus sieben Glockentönen eine festliche Stimmung einläutet. Mit „Jul, Jul, strålande Jul“, dem bekanntesten Werk des schwedischen Komponisten Gustaf Nordquist, wurde es munterer. Hans Schanderls „Kiris Bara Bari“ erinnerte dann, auch wenn es von einem Komponisten aus Regensburg geschrieben ist, an die rhythmische Gesangskunst im westafrikanischen Guinea. Richtig temperamentvoll wurde es mit dem puertoricanischen Weihnachtslied „De tierra lejana venimos“, arrangiert mit Perkussion und gezupftem Kontrabass von dem jungen Jazzsänger Juan V. M. Garcia aus Halle.